Frankfurt am Main Bergen-Enkheim Bürgerinformationsbroschüre

Überblick über die Geschichte des Stadtteils Braunschweiger am Abend schließ- lich zurückziehen musste, lagen über 1.000 Tote auf dem Schlachtfeld vor der Oberpforte. Ein Großteil der Ver- wundeten starb noch am Wundfie- ber und am Wundstarrkrampf. Land- graf Wilhelm IX. bezog im Septem- ber 1790 mit 7.200 Soldaten ein be- festigtes Lager an der Berger Warte, um die Krönung Kaiser Leopolds II. in Frankfurt zu sichern, denn die französischen Revolutionäre hatten bereits in Mainz Freiheitsbäume er- richtet. Um dem Landgrafen und dessen Soldaten für den militäri- schen Schutz zu danken, besuchte der Kaiser mit vielen Gästen den hessischen Landgrafen an der Berger Warte. Die Ehrensäule nördlich des Umspannwerkes erinnert an diesen Tag. Von 1792 bis 1813 war das Rhein- Main-Gebiet ein Tummelplatz fran- zösischer Heere. Napoleon Bonapar- te zog mehrmals auf der Mainstraße und auf der Enkheimer Sandstraße entlang. Sein Reichsmarschall Berna- dotte mit seiner Frau Dèsirèe (der ehemaligen Verlobten Napoleons und späteren Königin von Schweden und Norwegen) sowie Napoleons Kriegsminister Graf Berthier nahmen 1805 im Amtshaus in der Marktstra- ße Quartier. Die Plünderungen durch die französischen Soldaten erreich- ten ihren Höhepunkt, als Napoleons sich auflösende Armee nach den Schlachten von Leipzig und Hanau im Oktober 1813 dem Rhein zustreb- te. 1810 gehörten Bergen und Enk- heim zum Großherzogtum Frankfurt unter dem Fürstprimas Karl von Dal- berg; ab 1813 aber wieder zum Kur- fürstentum Hessen-Kassel. In den Jahren der Gärung zwischen 1830 und 1848 entstand eine Bürgerwehr zum Schutz gegen Revolutionäre, die aber niemals eingesetzt zu werden brauchte. Durch den preußischen Sieg im Kriege von 1866 wurde Ber- gen mit dem Ortsteil Enkheim ein preußisches Dorf in der Provinz Hes- sen-Nassau. Die Absicht Enkheimer Bürger, Enkheim von Bergen zu tren- nen und eine selbstständige Ge- meinde zu werden, blieb nach 23jährigem Bemühen ohne Erfolg. Im Jahre 1900 entschied das preußi- sche Innenministerium in Berlin, dass kein Bedürfnis für eine Tren- nung vorliege. Der endgültige Schlussstrich unter die Loslösungs- bestrebungen wurde aber erst 1936 gezogen, als der neue Ortsname „Bergen-Enkheim, Kreis Hanau- Land“, amtlich festgelegt wurde. Der Erste Weltkrieg forderte 180 Tote aus Bergen-Enkheim. Aus dem Zweiten Weltkrieg kehrten 350 Sol- daten nicht zurück. Weiterhin star- ben 60 Frauen, Männer und Kinder durch Fliegerbomben und Artillerie- beschuss, und in den Vernichtungs- lagern kamen 50 jüdische Mitbürger um. Jüdische Bürger lebten bereits seit Beginn des 14. Jahrhunderts in Bergen-Enkheim. Die erste bekannte Synagoge stand in der ehemaligen Frankfurt am Main Bergen-Enkheim 8 Rathausgasse, heute „Am Berger Spielhaus“, in der auch die „Juden- schule“ untergebracht war. Im Jahre 1854 wurde dann in der Erbsengas- se, heute Conrad-Weil-Gasse, die neue Synagoge errichtet. Weiter gab es zwei jüdische Friedhöfe in Ber- gen-Enkheim, der eine, im 16. Jahr- hundert am Ludwig-Kleemann-Weg angelegt, war gegen 1920 restlos belegt und so wurde 1925 an der Vilbeler Landstraße ein zweiter Friedhof angelegt, der bis in die vier- ziger Jahre des 20. Jahrhunderts ge- nutzt wurde. Die jüdischen Mitglie- der der Gemeinde Bergen-Enkheim stellten bis in das 20. Jahrhundert zwischen sechs bis neun Prozent der Bevölkerung von Bergen-Enkheim. Die Berufsstruktur umfasste Metz- ger, Portefeuiller, Likörfabrikant, Vieh-, Getreide- und Pferdehändler, Rechtsanwälte, Angestellte u.v.m. Diese waren in das gesellschaftliche, soziale und politische Leben der Ge- meinde integriert. Sie gehörten mit zu den Gründern von Vereinen (FSV 1910 Bergen, OG des Roten Kreuzes Bergen-Enkheim) und kandidierten für bürgerliche Gruppierungen bei den Gemeindewahlen. 1933 begann wie in vielen anderen Gemeinden Deutschlands der Terror gegen die jüdischen Mitbürger. Die Folgen des Terrors und der Boykotte waren Um- züge nach Frankfurt, Verkäufe von Häusern und Geschäften und die Emigration. Am 10.11.1938 wurden, analog zur Pogromnacht, in Bergen- Enkheim die Häuser und Geschäfte der verbliebenen jüdischen Bürger zerstört und geplündert. Die Synago- ge und die Friedhöfe wurden eben- falls zerstört. 1942 wurden dann mit zwei Transporten in die Vernich- tungslager die letzten der jüdischen Bürger von Bergen-Enkheim vertrie- ben. Nach dem Krieg hat sich keine neue jüdische Gemeinde in Bergen- Enkheim angesiedelt. (Quelle: Jüdische Gemeinde Bergen- Enkheim 1933-1942, 1988 Selbstver- lag Helmut Ulshöfer). Bergen-Enkheim war bis zum 19. Jahrhundert ein Bauerndorf, aller- dings mit einer Besonderheit: Am Berger Hang wurde Weinbau betrie- ben. Diesen Wirtschaftszweig hatten schon die Römer vor fast zwei­ tausend Jahren in unserer Gegend eingeführt. Im Mittelalter erhielten dann der Deutsche Orden in Frank- furt und zwei hessische Klöster durch Schenkungen umfangreichen Grundbesitz, wo sich auf zwei Wirt- schaftshöfen bis zur Reformation Laienbrüder als Winzer betätigten. Zwischen 1724 und 1838 hatte der Weinbau mit 120 ha Rebenfläche seine größte Ausdehnung. Im Jahre 1893 gab es in der Doppelgemeinde noch 230 Weingärtner, die 30 ha Weinberge bearbeiteten. Das bedeu- tete zwar nur noch ein Viertel der ehemaligen Anbaufläche, aber der Ertrag hatte sich durch den Anbau besserer Sorten gesteigert. Diese waren in Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus

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