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Waiblingen – Württembergische Amtsstadt

aus salischem Herrschaftszentrum

ohne Zweifel eine politische Demonstration, mit der er die recht­

liche Stellung seines Hauses im Remstal zu unterstreichen suchte.

Auch Rudolfs Nachfolger, König Adolf von Nassau, beharrte auf

den Reichsrechten im Remstal, so dass Eberhard wenige Wochen vor

Adolfs Tod sich dessen Gegner Albrecht von Österreich, dem Sohn

Rudolfs von Habsburg, zuwandte. Er erhielt von ihm die Zusage, dass

dieser, falls er die Königswürde erringe, Rems und „stettl, das nuewe

waibelingen heizzet“ in den Besitz des Grafen zurückkehren sollte.

Dies geschah 1298 und Waiblingen konnte seine Stellung behaupten.

Württemberg ist im Spätmittelalter eines der städtereichsten

Territorien im deutschen Südwesten. Über fünfzig Städte befanden

sich in württembergischem Besitz. Aus dem 13. Jahrhundert, dem

Jahrhundert der Gründung Waiblingens, stammen nur sechs. Drei

davon haben die Grafen von Württemberg gegründet, nämlich

Leonberg, Waiblingen und Schorndorf, und drei erworben, näm-

lich Stuttgart, Urach und Neustadt. Insgesamt ist die Zahl der von

Württemberg wirklich gegründeten Städte außerordentlich gering.

Zu den drei im 13. Jahrhundert gegründeten Städten gesellen

sich fünf, die im 14. Jahrhundert gegründet wurden: Bietigheim,

Cannstatt, Wildbad, Nürtingen und Münsingen. Die Zuordnung

von Amtsbezirken zu den Amtsstädten ist eine württembergische

Schöpfung. Die Einheit von Stadt und Amt hat Württemberg bis

in das 19. Jahrhundert hinein geprägt.

Wirtschaftlich entwickelte sich Waiblingen im Schatten von

Stuttgart, Schorndorf und Esslingen. Unter den württem-

bergischen Amtsstädten nahm es jedoch einen ordentlichen Platz

ein. Auch das Durchschnittsvermögen je Einwohner erreichte

noch im 16. Jahrhundert eine beachtliche Höhe. Nach dem

Ausweis des ältesten württembergischen Lagerbuchs von 1350

waren die Grafen von Württemberg die bedeutendsten Grund-

herrn in Waiblingen. Außer ihnen hatten die Klöster Adelberg,

Bebenhausen und Weiler Grundbesitz in Waiblingen. Weiter führt

das Lagerbuch rund 150 Waiblinger Bürger aus, so dass wir mit

einer Einwohnerschaft von rund 750 rechnen können (geht man

von 90 Häusern aus, wären es 450 Einwohner). Die Judenschule

beweist die Existenz einer Judengemeinde und dies wiederum die

Handelsbedeutung der Stadt.

Die württembergische Gerichtsverfassung wurde in Waiblingen im

14. Jahrhundert eingeführt. 1358 erscheint erstmals ein Richter,

Konrad Strüblin, 1359 werden Schultheiß, Richter und Bürger ge-

nannt, am 14. August 1432 erscheinen erstmals Vogt und Gericht

in Waiblingen. 1462 wurde in Waiblingen eine Prediger-Pfründe

gestiftet, eine Pfarrstelle, deren Inhaber ein gebildeter Theologe

sein musste, dessen Aufgabe allein die Predigt war; die Prediger

waren in Südwestdeutschland in vielen Fällen die Einfalls-Pforte

für reformatorisches Gedankengut; die Waiblinger Stiftung zählte

zu den frühen in Württemberg. Zahlreiche Einwohner haben im

Laufe des späten Mittelalters studiert; in der Matrikel der Tübinger

Universität sind zahlreiche Waiblinger eingetragen.

Aus dem salischen Herrschaftszentrum ist im späten Mittelalter

eine behäbige württembergische Amtsstadt geworden, heraus-

gehoben unter anderen durch das gräfliche Schloss und die

nicht seltenen Aufenthalte der Württemberger in der Stadt. Die

Gründung der Stadt Waiblingen und der Übergang des Rems-

Neckar-Raums an Württemberg erfolgte unter dramatischen Um-

ständen. Diese Gründungsphase hat die Geschichte der Stadt bis

ins Spätmittelalter geprägt und das Bewusstsein der Bürger und

ihr Identitätsgefühl bis heute geprägt. So genießt diese Periode

der Geschichte der „fürstlichen uralten Stadt Waiblingen und der

Ghibellinen Vaterland in Schwaben und in Württemberg gelegen“

bis heute zu Recht Aufmerksamkeit.

Und heute?

Waiblingen, die alte Amts- und Hofstadt, brannte 1634 während

des 30-jährigen Kriegs ganz nieder – der Wiederaufbau erfolgte

im barocken Stil. Deshalb ist die fast vollständig erhaltene Altstadt

heute eins der Juwele an der Deutschen Fachwerkstraße. Im Jahr

1962 wurde Waiblingen „Große Kreisstadt“ und damit Untere

Verwaltungsbehörde. Bei der Kreisreform von 1973 wurde

Waiblingen die Kreisstadt des nun aus den ehemaligen Kreisen

Waiblingen und Backnang gebildeten neuen Rems-Murr-Kreises.

Zu ihr gehören die fünf Ortschaften Beinstein, Bittenfeld,

Hegnach, Hohenacker und Neustadt.

28. Mai 1974: Außer Beinstein gehörten nun vier weitere

Ortschaften zu Waiblingen.

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