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Waiblingen – Württembergische Amtsstadt

aus salischem Herrschaftszentrum

von Ulten dessen Reichslehen schon im voraus anderen versprach

und den alpenländischen Eigenbesitz der Ultener Grafen auf­

kaufte, musste dies den Württembergern als eine Bedrohung ihrer

mühsam aufgebauten oberschwäbischen Position scheinen. Nicht

nur um die namengebende Burg Wirtemberg war keine Expansion

mehr möglich, auch in der Ausweichlandschaft Oberschwaben

wurden die Staufer zu Konkurrenten. Die schwäbischen Grafen

ließen sich nun nicht mehr in das staufische Herrschafts-System

einbinden, zumal die päpstliche Diplomatie auch in Schwaben

nicht mit Gunst-Erweisen, Geldern und Versprechungen im Kampf

gegen die Staufer sparte. Die durch territorial-politische Interessen

und Verwandtschaft einander verbundenen Dynasten sollten zu

einer effektiven Gruppe von Staufer-Gegnern geformt werden.

Den Württembergern kam hierbei eine führende Rolle zu.

Der mehrfach erwähnte Verrat Ulrichs von Wirtemberg von 1246

war also keine spontane Aktion, sondern Teil eines Plans der

Grafenopposition. Vereinbarungsgemäß verließ Ulrich zusammen

mit seinem Vetter Hartmann von Grüningen das Heer Königs

Konrad IV., als dieser 1246 bei Frankfurt den Gegenkönig Hein-

rich mit Waffengewalt an der Abhaltung eines ersten Hoftages

hindern wollte. Zwei Drittel des Heers gingen mit dem württem­

bergischen Grafen. Konrad musste vom Schlachtfeld weichen. Die

Führungsrolle Ulrichs von Württemberg wird auch darin sichtbar,

dass dieser sich als Sprecher der Grafen (Nuntius) nach dem Tode

Kaiser Friedrichs II. im Jahre 1250 selbst zu Papst Innozenz IV.

nach Lyon begab. Er erhielt die Zusicherung, dass der Papst niemals

den Sohn Kaiser Friedrichs II. zum König- und Kaisertum oder

zum schwäbischen Herzogtum gelangen lassen werde. Im Zuge

dieser antistaufischen Politik des Papsts gelangten die Württem-

berger auch zu kirchlichen Würden. Ein Heinrich von Württemberg,

vielleicht ein Bruder Ulrichs, wurde zum Bischof von Eichstätt

erhoben.

Die Hoftags-Entscheide von 1246 und 1252 waren Signale für

den Zugriff auf staufische Positionen und boten den Württem­

bergern einen rechtlichen Rahmen für die Erweiterung ihrer

Machtbasis. Ulrich und Hartmann erhielten Reichs-Lehen und

Reichs-Pfandschaften sowie Kloster-Vogteien und bemächtigten

sich des staufischen Eigenguts. In Verbindung mit älteren Besitz­

titeln der Grafen von Württemberg im mittleren Neckarraum und

den durch Ulrich von Württembergs Heirat mit Mechthild von

Baden neu erworbenen Besitz, vor allem Stuttgart (vor 1246),

konnten die Württemberger nunmehr erstmals eine Konzentration

von Herrschaftsrechten unterschiedlicher Provenienz und Qualität

am mittleren Neckar erreichen. Ulrichs badische Heirat vor 1246

zeigte, dass der mittlere Neckarraum in sein Blickfeld gerückt war.

Die markgräflich-badisch gegründete Stadt Stuttgart wurde zum

württembergischen Eigentum. Sie zeigt – seit 1246 – eine neue,

nicht mehr hauptsächlich auf das östliche Schwaben gerichtete

Orientierung.

Der Ausbau befestigter Städte

Im Zeichen anhaltender Kämpfe wehrte sich die weiterhin staufer-

treue Stadt Esslingen massiv gegen den Württemberger. Deswegen

suchte Ulrich den neugewonnenen Herrschaftsraum durch den Aus-

bau befestigter Städte zu sichern und herrschaftlich zu strukturieren.

Leonberg und Stuttgart sicherten die Herrschaft westlich des Neckars,

östlich im Remstal waren es Waiblingen und Schorndorf. Remstal

aufwärts gelang es Ulrich spätestens 1251, die Vogtei des Klosters

Lorch zu erwerben und damit eine weitere staufische Stellung mit-

samt dem Hohenstaufen selbst und der zugehörigen Ministerialen­

burg zu übernehmen. Ulrichs Vetter Hartmann erhielt 1252 Stadt

und Burg Markgröningen und im gleichen Jahr verpfändete König

Wilhelm die Vogtei über das Kloster Denkendorf an Ulrich. Beide bil-

deten feste Punkte in der weiter nach Norden und Süden erweiterten

Einflusszone der Grafen. 1254 kam es zu einem Ausgleich zwischen

der schwäbischen Grafengruppe, den Vertretern der päpstlichen Partei

und den Anhängern der Staufer. Das Ergebnis war ein großräumiger

und fast zwei Jahrzehnte stabil bleibender Interessens-Ausgleich. Die

Grafengruppe akzeptierte den Anspruch Konradins auf das Herzog-

tum Schwaben, wenig später auch der Papst. Die staufische Partei

dagegen verzichtete auf Revisionen, nahm die Machtverschiebung zu

Gunsten der Grafen hin, billigte die schwerpunktmäßige Abgrenzung

der Interessen-Sphären und förderte den Ausgleich zwischen den

Grafen und den Städten sowie den Reichsministerialen.

Ulrich von Württemberg und mit ihm sein Vetter Hartmann von

Grüningen hatten also durch konsequente Ausnutzung zuerst des

Legitimations-Verlusts und dann des von ihnen führend bewirkten

Machtverlusts der Staufer in Schwaben binnen zwei Jahrzehnten

die territorialen Grundlagen zur Herrschaft Württemberg in einem

für die württembergische Herrschaftsbildung zuvor weitgehend

versperrten und deswegen keineswegs vorgegebenen Raum legen

können. Seit der badischen Heirat Ulrichs, vor 1246, wurde das

Unterland an Neckar und Rems immer deutlicher der Aktionsraum

Ulrichs, in dem er nur noch hier und nicht mehr wie zuvor im

Allgäu und im Inntal erbrechtlich vorteilhafte Positionen suchte.

Die Uracher Versammlung von 1254 mit dem Interessen-Ausgleich

zwischen päpstlicher, staufischer und gräflicher Partei war ein wich-

tiges Moment in der Stabilisierung der württembergischen Position.

Ulrich war es gelungen, eine „Herrschaft Württemberg“ zusammen

zu stellen, die aber noch nicht strukturiert, sondern aus vielfältigen,

unterschiedlichen Rechtstiteln und Gütern zusammengesetzt war.

Die Entstehung Waiblingens

In dem jetzt geschilderten Prozess dürfen wir also die Entstehung

der Stadt Waiblingen sehen. Der Erwerb Stuttgarts vor 1246 ist

sicher der Stadtgründung in Waiblingen vorangegangen. Leonberg,

Schorndorf und Waiblingen sind sicher im Zusammenhang, in

einem Zug entstanden. Stadtwerdung aber ist ein längerer Prozess

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