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Waiblingen – Württembergische Amtsstadt
aus salischem Herrschaftszentrum
Schon um 5000 vor Christus war die Gegend von Waiblingen be-
siedelt, das haben archäologische Befunde ergeben. In der römi-
schen und alemannischen Zeit entwickelte sich das Gebiet um den
heutigen Waiblinger Stadtkern, die erste urkundliche Erwähnung ist
auf das Jahr 885 zu datieren. Wie Waiblingen nach und nach zum
wirtschaftlichen, später auch politischen und kirchlichen Zentrum
wurde, wie es im achten Jahrhundert in den Besitz der Karolinger,
später der Salier und schließlich der Staufer kam, das hat Professor
Dr. Franz Quarthal von der Stuttgarter Universität im Mai 2000
beim Festakt aus Anlass des 750-Jahr-Jubiläums der Stadt im
Bürgerzentrum geschildert. Er stellte den Waiblingern ihre eigene
Geschichte vor, die er ausführlich erforscht und recherchiert hatte.
Hier Auszüge seiner Arbeit.
Prof. Dr. Quarthal führte zum Thema „Waiblingen in der Graf-
schaft Württemberg“ und damit zur Geschichte Waiblingens von
der Stadtgründung bis zur Reformation aus: „Keine Ortschaft in
der Umgebung Stuttgarts weckt schon allein durch die Nennung
ihres Namens eine derartige Fülle geschichtlicher Erinnerungen,
Erinnerungen an die bedeutendsten Herrschergestalten und die
folgenschwersten Kämpfe des deutschen Mittelalters, wie die kleine
Stadt Waiblingen.“
Waiblingens Geschichte im Mittelalter kennt mehrere Höhepunkte,
die zum Identitätsgefühl und zum Selbstbewusstsein der Stadt bis
heute beitragen. Es ist die Rolle als karolingischer Königshof, Waib-
lingens Funktion als Mittelpunkt salischer und staufischer Herr-
schaft – in dem bekannten, auf den Stadtnamen zurückgehenden
Schlachtruf „Hie Welf!“ – „Hie Waibling!“ ist der Name der Stadt
zum Erkennungszeichen einer ganzen Epoche geworden – und
schließlich als dritte wichtige Epoche die Stadtwerdung Waiblingens
unter den Grafen von Württemberg, wobei Waiblingen als angeblich
älteste Stadt der Württemberger für sich eine besondere Stellung
beansprucht.
Wir wollen uns mit der Stadtentstehung Waiblingens und seiner
Rolle als württembergische Stadt im Mittelalter beschäftigen. Dies
macht einen guten Sinn, ist doch die Stadt als Institution etwas
Einzigartiges in der abendländischen Geschichte. Diese Neuerung
können wir als nicht radikal genug ansehen. Sie hat die mittelalter-
liche Gesellschaft grundlegend verwandelt und ist in ihrer Bedeutung
mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert gleichzusetzen.
Der mittelalterliche Stadtkern ist selbst in Großstädten bis heute
für die Bürger die Stadt schlechthin. Marktplätze, die für eine
Bürgerschaft von 2.000 Menschen gebaut wurden, müssen heute
als Mittelpunkt für 20.000 bis 30.000 Menschen dienen. Trotzdem
fesselt uns der mittelalterliche Stadt als eine „universitas civium“
bis heute. Ein Stadtjubiläum zu feiern, heißt, sich mit dieser
Vergangenheit auseinander zu setzen und sich mit der Frage nach
den Anfängen auch der Frage nach dem Identifikationswert der
Geschichte für die eigene Gegenwart zu stellen.
Das Bild Waiblingens als Stätte eines karolingerzeitlichen Königs-
hofs, einer Pfalz, eines Mittelpunkts salischer und staufischer
Herrschaft und der ältesten Stadt der Württemberger, von den
älteren Geschichtsschreibern David Wohlleber, Jacob Frischlin und
dem großen Chronisten Schwabens Martin Crusius in Strichen
gezeichnet, wurde von späteren Geschichtsschreibern zu einer
geschlossenen Darstellung verdichtet, von denen der Altmeister
der württembergischen Geschichtsschreibung, Karl Weller, eine
herausragende Stellung einnahm. Karl Stenzel, der Direktor des
Badischen General-Landesarchivs, hat dieses Bild dann in seinem
großen Beitrag: „Waiblingen in der deutschen Geschichte“ zu
einem festen Gebäude zusammen gefügt, das auch von der
überregionalen Geschichtsliteratur übernommen wurde und die
Vorstellung von der Vergangenheit Waiblingens bis heute prägt.
Die Karolingerzeit
Am Beispiel der Frage des karolingerzeitlichen Königshofs
Waiblingen hat Joachim Peterke in einem Aufsatz über „Das
Waiblingen-Problem“ deutlich gemacht, wie sehr sich die histo-
rische Darstellung aber von den Quellen entfernt hatte, und in
einer eindrucksvoll behutsamen Interpretation suchte er Sicheres
von Unsicherem zu scheiden. Das letzte Wort ist hierbei sicher
noch nicht gesprochen, Irrwege und Überinterpretationen sind
aber als solche gekennzeichnet, der Blick dafür geschärft, dass
die Rolle Waiblingens in der Karolingerzeit nochmals überdacht
werden muss.
Beim Einbau der Fußbodenheizung in der Michaelskirche im
Jahre 1978 wurde versäumt, das Kircheninnere archäologisch zu
untersuchen. Da man die Stelle der karolingerzeitlichen Pfalz am
Platz der Kirche vermutet, sind damals Quellenzeugnisse un
wiederbringlich verloren gegangen, so dass eine Hilfe der Archäo-
logie bei der Interpretation der Schriftquellen kaum noch erwartet
werden kann. Allzu große Skepsis aber wie gegen die Tatsache,
dass im schwäbischen Waiblingen Rechtsgeschäfte des Regens-
burger Bischofs verhandelt worden sein könnten, ist vielleicht
doch nicht angebracht, wenn man die Rechtspraxis der damaligen
Zeit im Zusammenhang übersieht. Auch ist es durchaus denkbar,
dass man in drei Tagen von Lorsch an der Bergstraße Waiblingen
erreicht, wie dies der zeitliche Abstand zweier Urkunden Kaiser
Karls III. erfordern würde, so dass nicht zwingend ein anderes
Waiblingen gesucht werden muss.
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